Der
inter- und transdiziplinäre Charakter des Programms
wurde vom Gastgeber geprägt: Der Fachbereich für
"Digital Aesthetics and Communikation" sucht wie die
Universität selbst die Synergien aus Ansätzen der
Geistes- und Naturwissenschaften sowie der freien Wirtschaft
- dies betonte auch Universitätspräsident Mads
Tofte in seiner Eröffnungsrede.
Die vier Keynotes von Thomas
Jakobson (IO Interactive, Dänemark), Espen Aarseth
(Universität von Bergen, Norwegen), Selmer Bringsjord
(Rensselaer Polytechnic Institute, US) und Marie-Laure Ryan
(freie Wissenschaftlerin, Colorado, US) steckten die
Rahmenpunkte ab, innerhalb derer sich der Diskurs über
digitale, ludische Texte aktuell bewegt: zwischen Markt und
Universität, zwischen Text- und Spieltheorie, zwischen
künstlicher Intelligenz und Literatur.
Thomas Jakobson stellte das
neueste Action-Adventure von IO Interactive vor, "Hitman -
Codename 47", in dem Figuren wie Objekte mit einander
bedingenden Eigenschaften und "Sinnen" ausgestattet sind, so
dass sie innerhalb der dramaturgischen Vorgaben des Spiels
quasi frei agieren. Gegen dieses Highlight der technischen
Machbarkeit stellte Selmer Bringsjord die Frage, ob es
überhaupt möglich ist, Computerspiele mit
fesselnder Dramaturgie zu entwickeln. Bringsjord reduziert
diese Problematik auf ein traditionelles
Literaturverständnis und die Frage nach einer
künstlichen Intelligenz, die dieses - als Story Master
oder als Figur im Spiel - reproduzieren kann.
Marie-Laure Ryan widmete
sich der undankbaren Aufgabe, den literaturtheoretischen
Ansatz der Narratologie für die digitale Text- und vor
allem Spieletheorie nutzbar zu machen. Ihre These, dass
Menschen Welt narrativ strukturieren, war einer der heftigst
debattierten Punkte der Konferenz. Espen Aarseth lieferte
einen Überblick über die junge Tradition der
Computerspiele und der aktuellen Forschungsansätze und
setzte mit einem Jacques Ehrmann-Zitat (von 1968!) das Motto
der Konferenz: "The time has come to treat play
seriously".
Das Programm war lose in
vier Teile gegliedert, wobei sich der erste Tag
schwerpunktmäßig mit Computerspielen, der zweite
mit digitaler Textualität allgemein befasste. In der
ersten Session führten Aki Järvinen (Icon
Medialab, Finnland) mit "A Doom with a View. Introducing
Ludological Premises" und Susana Pajares Tosca (Oxford
Brookes University, UK/Universität von Madrid, Spanien)
mit "Role-playing in multiplayer environments. Vampire: The
Masquerade Redemption" in die Ludologie und Spieltheorie
ein. Offensichtlich wurde dabei, dass entgegen der
ursprünglichen Philosophie der digitalen Literatur
selbst Multiplayer-Computerspiele die Rolle des Autors nicht
zurücknehmen, sondern im Gegenteil in eine neuwertige
und starke Position zurückheben.
In der zweiten Session
sprachen Anja Rau (Blue Mars, Deutschland) mit "Reload -
Yes/No - Time in Graphic Adventures", Jesper Juul (IT
Universität) mit "Play time, Event time, Themability"
und Markku Eskelinen (Finnland) mit "Aspcets of time in
Computer Games" über Zeit in Computerspielen.
Temporalität hat sich in den letzten Jahren zu einem
zentralen Thema der digitalen Literatur (-Theorie)
entwickelt und Computerspiele scheinen in der Lage zu sein,
zeitgenössische Zeitkonzepte weitaus adäquater zu
verhandeln als traditionelle Textformen das vermögen.
Tag zwei begann mit
Untersuchungen von Computerspielen aus unterschiedlichen
akademischen Perspektiven: Kognition und Körperlicheit
(Ulf Wilhelmsson, Universität Kopenhagen,
Dänemark, "What's in those video games?"),
Theaterwissenschaft (Ragnhild Tronstad, Universität
Oslo, (Norwegen, "MUDs, performance and theatricality") und
Soziologie (Frank Schaap, Universität Amsterdam,
Niederlande, "The Social Life of the Game" - eine
Auseinandersetzung mit dem Mythos der freien Wahl zumindest
des sozialen Geschlechts im Internet). Raine Koskimaa (IT
Universität Kopenhagen) stellte zwei neue Webfictions
der Hyperfiction-"Altmeister" Michael Joyce und M.D. Coverly
vor: "The Sonatas of Saint Francis" (Joyce) und "The Book of
Going Forth by Day" (Coverly). Lisbeth Klastrup, zusammen
mit Jesper Juul Hauptorganisatorin der Konferenz, zeigte
Methoden des digitalen Textdesigns in virtuellen Welten
anhand ihres StoryMOO "The House of Mystery". Die Konferenz
endete mit einem Ausblick (und Rückblick) auf mobiles
Spielen auf Handys und Handhelds von Seppo Kuivakari
(Universität von Rovaniemi, Finnland).
Computerspiele sind nicht
mehr der besorgniserregende Zeitvertreib meist
männlicher Teenager, sondern entwickeln sich zu einer
eigenständigen Textform. Während ein
Großteil unserer Kommunikation und Transaktionen in
das Internet und andere digitalen Medien migriert, gewinnen
digitale Texte an (sogenannter "hoch-" wie sogenannter
"pop-") kultureller Bedeutung und die Grenze zu
traditionellen Spielen verschwimmt in der interaktiven,
prozeduralen digitalen Umgebung. Mit der Konferenz
Computer Games and Digital Textuality", die in dieser
oder einer ähnlichen Form im regelmäßigen
Rhythmus stattfinden soll, gibt es endlich ein Forum,
digitale, ludische Textphänomene angemessen und mit
einem akademischen Anspruch diskutieren zu können. Die
Selbstverpflichtung, unterschiedliche wissenschaftliche
Disziplinen und Ansätze aus Wirtschaft und Industrie zu
verbinden, lässt hoffen, dass die digitale
Literaturtheorie tatsächlich eher von allen
gemacht" werden wird, als das dem Papiertext oder auch dem
Film im Kontext der traditionellen Universitäten
gelingen konnte.
Ihr
Kommentar

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